Paul Harris, Universität Bristol
Laut Schätzungen von Cisco werden bis 2020 5,5 Milliarden Menschen Mobiltelefone besitzen. Allein in Großbritannien werden zig Millionen dieser Nutzer ein Datenvolumen von jeweils 20 GB pro Monat beanspruchen und in ihrem Alltag über 25 Smart Devices nutzen. Wenn dann noch datenintensive Anwendungen wie Streaming in 4K, autonome Fahrzeuge, intelligente Fabriken und Breitbandzugänge in den entlegensten Gebieten der Erde hinzukommen, überrascht es nicht, dass die heutigen Drahtlosnetzwerke nicht für diese hypervernetzte Zukunft geeignet sind.
Um der noch nie dagewesenen Nachfrage nach höheren Datenraten, erweiterter Netzwerkkapazität und verbesserter Zuverlässigkeit zu begegnen, nutzen Ingenieure und Forscher der Universitäten Bristol und Lund das NI Multiple Input, Multiple Output (MIMO) Prototyping System. Mit diesem System treiben sie Innovationen rund um die Entwicklung von 5G-Mobilfunknetzen schneller voran und verändern die Zukunft drahtloser Kommunikationssysteme mithilfe von Massive MIMO. Das Team schaffte es, eine Steigerung der Bandbreiteneffizienz um mehr als das 20-Fache im Vergleich mit aktuellen 4G-Mobilfunktechnologien zu erzielen. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Bereitstellung von 5G bei Frequenzen unter 6 GHz.
Paul Harris – Universität Bristol
Steffen Malkowsky - Universität Lund
Um das Potenzial von 5G zu erschließen, muss man die Vorteile von Massive MIMO verstehen. Massive MIMO verwendet eine große Zahl von Antennen (mehr als 64) an der Basisstation für das räumliche Multiplexen. Das bedeutet, dass in einem dicht besiedelten Gebiet mehr Nutzer versorgt werden können, ohne dafür weitere Funkfrequenzen zu belegen oder Störungen zu verursachen. Massive MIMO steht also für weniger abgebrochene Anrufe, eine deutliche Abnahme von Funklöchern und eine qualitativ bessere Datenübertragung, ohne dabei die Grenzen des immer knapper werdenden Funkspektrums weiter zu verschieben.
Noch besser ist, dass Massive MIMO im Vergleich mit aktuellen LTE-Netzen (4G) Kostenreduzierungen und eine verbesserte Energieeffizienz verspricht. Zudem sorgt es aufgrund der höheren Anzahl von Antennen für mehr Zuverlässigkeit durch Redundanz.
Das Team der Universitäten Bristol und Lund verfolgt das Ziel, Massive MIMO als potenzielle Technologie für Kapazitätssteigerungen um das mehr als 10-Fache für künftige 5G-Netze zu testen. Hierfür nutzte das Team die erweiterbare NI-Plattform zur MIMO-Prototypenerstellung mit flexibler SDR-Hardware (Software-Defined Radio) und offener rekonfigurierbarer LabVIEW-Software und erhielt Unterstützung von der NI Advanced Wireless Research Group.
Mithilfe des NI MIMO Prototyping System konnte das Team die theoretischen Grundlagen von Massive MIMO unter realen Bedingungen umsetzen und zügig neue Ideen für die Implementierung der weltweit ersten Live-Demonstration eines echtzeitfähigen Prüfstands für Massive MIMO mit 128 Antennen testen. Durch den Einsatz dieses modernen Prüfstands konnte das Team bei der spektralen Effizienz zwei Weltrekorde in Folge aufstellen. Das Team erreichte über eine vollständig bidirektionale 3,5-GHz-Echtzeitfunkverbindung mit 20 MHz Bandbreite und zwölf simultanen Nutzern eine spektrale Effizienz von über 79 bit/s/Hz. Kurz darauf wurde das System erweitert, um eine spektrale Effizienz von über 145 bit/s/Hz zu erzielen. Dazu wurde die Zahl der Nutzer, die sich dieselbe Zeit-Frequenz-Ressource teilen, auf 22 erhöht.</p>
Das NI MIMO Prototyping System ist eine Kombination aus handelsüblicher Standardhardware von NI und der Software LabVIEW. Die Plattform fungiert als solide Grundlage für das durchsatz- und kapazitätsstarke System mit geringer Latenz. Das Team integrierte fast 100 verschiedene Hardwarekomponenten, konnte jedoch die gesamte Anwendung innerhalb eines einzigen Softwareframeworks entwickeln. Dieser modulare Ansatz, die enge Hard- und Softwareintegration sowie das integrierte Echtzeit-FPGA-IP in LabVIEW sorgten dafür, dass das Team schneller als erwartet eine Lösung fand. Zudem sind künftige Änderungen an der Plattform zeit- und kosteneffizient möglich.
Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Bristol is Open“ der Universität Bristol und der Stadtverwaltung von Bristol plant das Team der Universität den Einsatz des Massive-MIMO-Prüfstands auf einem Dach innerhalb der Stadtgrenzen sowie die Anbindung an das Glasfasernetz der Stadt. Das Projekt eröffnet die Möglichkeit, diese Technologie unter realen Bedingungen weiterzuerforschen. Letztendlich ist geplant, das System in vier Untersysteme mit je 32 Antennen aufzuteilen und das Glasfasernetz zur Implementierung einer verteilten Massive-MIMO-Konfiguration zu nutzen. Dadurch sollen Netzbetreiber die Möglichkeit erhalten, bessere Kommunikationsverfahren für alle zu etablieren.
Die Universität Lund wird in Kürze mit einem eigenen Massive-MIMO-Prüfstand von NI Messungen im Freien, Kanalcharakterisierungen und Accelerator IP Design unter realistischeren Einsatzbedingungen durchführen.
Die Universitäten Bristol und Lund werden auch weiterhin zusammenarbeiten. So wird das Team aus Bristol in Lund in verschiedenen Versuchen mit Mobilfunknutzern Außenmessungen durchführen, um die Auswirkungen von Mobilität auf Massive MIMO weiter zu untersuchen.
Die Communication Systems & Networks (CSN) Group der Universität Bristol wurde 1985 mit der Absicht ins Leben gerufen, dem Forschungsbedarf im Bereich der Festnetz- und Mobilfunkkommunikation zu begegnen. Sie konzentriert sich sowohl auf akademische Grundlagenforschung als auch auf die Anwendung in der Industrie. Die Forschungsgruppe verfügt über gut ausgestattete Labore mit modernsten Mess- und Prüfgeräten und einer erstklassigen Computerausstattung.
Das Team der Universität Bristol Mark Beach, Andrew Nix, Paul Harris, Siming Zhang, Henry Brice, Wael Boukley Hasan, und Benny Chitambira
Die Universität Lund verfolgt den Anspruch, eine Universität von Weltrang zu sein und die Welt sowie die Lebensbedingungen zu verstehen, verständlich zu machen und zu verbessern. Der Fachbereich Electrical Engineering and Information Technology (EIT) der Universität Lund deckt zahlreiche Forschungsgebiete in den Bereichen analoge und digitale Signale sowie Kommunikationssysteme ab und gehört zu den Vorreitern der Massive-MIMO-Forschung, darunter Theorie, Kanalmessungen und -charakterisierungen sowie Accelerator IP Design.
Das Team der Universität Lund: Fredrik Tufvesson, Ove Edfors, Liang Liu, Steffen Malkowsky, Joao Vieira, Zachary Miers, Hemanth Prabhu, Erik Bengtsson, Xiang Gao, und Dimitrios Viastaras
Paul Harris
University of Bristol
CSN Group, University of Bristol, Woodland Road
Bristol BS8 1UB
United Kingdom
paul.harris@bristol.ac.uk